"Wir drehen uns nicht weg. Wir schauen hin."
Und was die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Kinderhilfe Holzland sehen, ist oft schwer verdaulich. "Dazu kommt noch das Wissen darum, dass auch wir nur die Spitze des Eisbergs sehen", sagt der Vereinsvorsitzende Peter Stuiber, und fügt zerknirscht hinzu: "Die Hütte brennt. Wir kümmern uns um Familien, die keine Lobby haben. Deutschland, das gelobte Land?" Nein. Daran mag er nicht mehr so recht glauben.
Jeden Monat werden die Hilferufe von verzweifelten Familien, denen das Geld hinten und vorne nicht zum Leben reicht, mehr. Gleichzeitig drückt auch die Kinderhilfe Holzland der Schuh. "Seit in der Ukraine Krieg ist, fließen Spenden woanders hin", sagt Peter Stuiber.
Kinderhilfe spürt "Spenden-Aderlass"
Diesen Aderlass spüre der gemeinnützige Verein, der es sich zur Herzensaufgabe gemacht hat, allen Kindern den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen, deutlich. Gleichzeitig nimmt mit der schleichenden Spendenbereitschaft die Zahl der hilfesuchenden Familien zu. "Bei jeder Vorstandssitzung – wir treffen uns alle vier Wochen – besprechen wir die Situation von 35 bis 50 Familien, die neu um Hilfe bei uns anfragen." Da kann es schon vorkommen, dass so eine Sitzung bis Mitternacht dauert. "Wir beraten dort eingehend, wer Geld von uns bekommt", sagt der Vorsitzende, "wir fahren hin zu den Familien, reden mit ihnen, schauen uns die Lebensumstände an. Und: Wir arbeiten nachhaltig", betont Peter Stuiber, "wir helfen eine gewisse Zeit und schauen, dass die Leute wieder auf die Füße kommen."
"Grant" auf bürokratische Hürden
Der Vereinsvorsitzende, der seit der Gründung des Vereins im Jahr 2013 nun schon einiges Leid erblickt hat, möchte selbst manchmal verzweifeln. "Da kannst schon einen Grant kriegen auf die Politik, wenn du hautnah mitbekommst, wie notleidende Menschen an bürokratischen Hürden scheitern." Er würde sich wünschen, es gäbe eine "Knautschzone" für solche Familien, die durch das soziale Netz zu fallen drohen. Vor allem alleinerziehende Frauen stünden plötzlich am Rande des Existenzminimums – weil der Ex-Partner sich weigert, Unterhalt zu zahlen, und weil es dauert, bis staatliche Unterstützungsgelder fließen. Schließlich müssen Anträge, zudem oft schwer verständlich, ausgefüllt, Belege erbracht, die finanzielle Situation haarklein aufgedröselt werden. "Ich sehe das von zwei Seiten", versucht der zweite Vorsitzende der Kinderhilfe, Franz Gerleigner, zu beschwichtigen: "Belege braucht es eben, sonst wäre ja Schwindel Tür und Tor geöffnet. Aber es stimmt schon: Es dauert viel zu lange, bis das erste Geld fließt. Und diese Lücke versuchen wir zu schließen."
Preisexplosion – Leidtragenden sind wieder die Kinder
Und wenn die Kinderhilfe Holzland helfen kann, fließen Tränen. "Was glauben sie, wie oft man uns um den Hals fällt, wie oft wir selbst einen Kloß im Hals haben, weil jemand vor Freude und Dankbarkeit zu weinen anfängt", erzählt Peter Stuiber. Das sei dann der Moment, in dem seine ehrenamtlichen Mitarbeiter und er wieder wissen, dass ihr Engagement jede Sekunde wert ist.
Stuiber springt auf und holt aus dem Schrank eine Schachtel mit Briefen hervor: Lauter Danksagungen von Müttern, Vätern, Kindern – weil die Kinderhilfe Holzland einen elektrischen Rollstuhl für ein Kind ermöglicht haben, weil ein Auto behindertengerecht umgebaut werden konnte, weil die Tochter mit auf die Klassenfahrt durfte ("keiner soll gemobbt werden, weil sich die Eltern etwas nicht leisten können"), weil der Jugendliche nun doch seinen Führerschein bezahlen kann, weil der Verein kurzfristig für die Beerdigungskosten eingesprungen ist.
"Ich denke, dass sich zum Herbst hin die Situation für die Menschen in Not noch einmal zuspitzen wird. Die steigenden Energiepreise und Lebensmittelpreise sind für diese Menschen ein Alptraum – und die Leidtragenden sind wieder die Kinder", analysiert Peter Stuiber bitter die Lage.
Ohne Spenden ist Verein am Limit
15000 bis 20000 Euro verteilt die Kinderhilfe Holzland pro Monat an rund 100 Familien. "Wir geben die Spenden zu 100 Prozent weiter", sagt der zweite Vorsitzende Franz Gerleigner. Jeweils 200000 Euro sind die letzten beiden Jahre in der Vereinskasse gelandet. Geld, das dringend benötigt wird. "Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich Danke sagen an alle Spender, die uns die letzten Jahre so toll unterstützt haben", sagt der Vorsitzende. Mehr denn je bangt sein Helferteam nun um weitere Spenden. Es spräche doch Bände, wenn Jugendämter Familien an die Kinderhilfe Holzland verweisen. "Die sind am Limit." Aber das ist die Kinderhilfe Holzland ohne Spenden auch.
Wer für die Kinderhilfe spenden möchte, hier das Spendenkonto bei der Raiffeisenbank Vilshofener Land. IBAN: DE56 7406 2490 0005 8318 22 – bitte unbedingt Namen und Adresse angeben, damit der gemeinnützige Verein die Spendenquittungen ausstellen und auch zuschicken kann.
Karin Seidl
Redakteurin | Lokalredaktion Pocking